Bild: Die Schlacht der Rohirrim - Offizielles Filmposter
“Die Schlacht der Rohirrim” (Originaltitel: The War of the Rohirrim) ist die erste Verfilmung basierend auf Tolkiens Büchern “Der Herr der Ringe”, die wir seit Peter Jacksons gefeierten Werken aus den frühen 2000ern und der Fortsetzung “Der Hobbit” auf der Kinoleinwand sehen dürfen. Unterschiedlicher könnten die Filme allerdings nicht sein, denn in diesem Fall handelt es sich um einen vom japanischen Director Kenji Kamiyama gestalteten Anime.
Hier findest Du eine Review der deutschen Kinofassung des Films, wobei ich auch auf ein paar Easter Eggs aus der Originalfassung eingehe. Aber dazu später mehr - vorweg erstmal zur Handlung.
Zurück nach Rohan: Héra & Helm Hammerhand
Im Mittelpunkt der Handlung steht Héra, Tochter des derzeitigen Königs von Rohan: Helm Hammerhand. Es scheint eine Zeit des Friedens zu sein, zumindest bis der Anführer der Dunländer seinen Sohn Wulf um Héras Hand anhalten lässt. Héra ist einem Herrn aus Gondor versprochen - und obwohl sie eigentlich keinen der beiden Männer heiraten will, bricht nun ein Streit aus, aus dem schnell ein ganzer Krieg erwächst. Denn als Wulfs Vater im Zweikampf getötet wird, schwört sein Sohn Rache. Zusammen mit ihrer Familie kämpft Héra gegen die übermächtige Bedrohung gegenüber ihrem Volk und sieht sich währenddessen Verlust und Hoffnungslosigkeit ausgesetzt - aber auch neuer Hoffnung.
Hier kannst Du dir den Trailer nochmal in Erinnerung rufen:
Die gesamte Handlung basiert auf Charakteren, die Tolkien in den Anhängen seiner Bücher beschrieben hat. Die allgemeine Erwartungshaltung war, dass es sich beim Hauptcharakter um Helm Hammerhand handeln würde - was nicht der Fall ist. Stattdessen ist es seine Tochter Héra, gesprochen von Gaia Romilly Wise, während Éowyn als Erzählerin der Geschichte fungiert, wie es in “Der Herr der Ringe" schon von Galadriel übernommen wurde. Dazu wurde natürlich Miranda Otto wieder engagiert, genauso wie in der deutschen Synchro Alexandra Wilcke.
Schon durch das Voice-Over wird sehr schnell deutlich, wie viel Herz in der Geschichte steckt. Und das wird im Verlauf der Handlung auch klar: Das Drehbuch balanciert gekonnt eine neue Geschichte in einer uns schon bekannten Welt, mit Hilfe von zugegebenermaßen sehr wenig Quellenmaterial von Tolkien. Da ist Gefühl, da ist Humor, da ist Action - jetzt natürlich im Anime-Style. Wo ich mich bei “Die Ringe der Macht” gelangweilt oder die Stirn gerunzelt habe, habe ich hier mitgefiebert und gelacht. Ja, etwas mehr Tiefgang bei manchen Charakteren wäre schon schön gewesen und auch am Spannungsbogen hätte man noch feilen können, aber alles in allem hatte ich mit der Geschichte eine gute Zeit.
Es ist vor allem erfrischend, eine kompakte Geschichte im Tolkien-Universum erzählt zu sehen, die nicht mit Lückenfüllern gestreckt wird und sich auf einen Film beschränkt. Unnötige Handlungsstränge brauchst Du deshalb nicht zu erwarten - keine Sidequests oder Liebesgeschichten, die es so nie gab…
Dem könnte man entgegenhalten, dass das Quellenmaterial von nur einigen Sätzen ja bei einem einzelnen Film schon als sehr gestreckt gelten sollte. Ich bin auch kein Fan davon, eine Geschichte aus nichts zu spinnen - aber die Quelle, die Charaktere und ihre Geschichte sind gegeben. Und laut Gandalf höchstpersönlich verdienen es gute Geschichten, ausgeschmückt zu werden.
Es ist auch sehr erfrischend, Héra als weiblichen Hauptcharakter in diesem Franchise auf der Kinoleinwand zu sehen. Helm Hammerhand wird dadurch keinesfalls an den Rand der Handlung gedrängt - doch emotional und auch handlungsbedingt stellt Héra als Hauptfigur die bessere Wahl dar.
Natürlich gab es auch hier, wie auch schon in vorherigen Verfilmungen, ein paar Änderungen, die vom Quellenmaterial abweichen. Für jeden Fan der Bücher ist das wohl immer wieder aufs Neue schade, aber zumindest für mich eben auch verständlich. Wie schon in den “Der Herr der Ringe”-Filmen ist das eine Entscheidung, die mit einer filmischen Adaption oft einhergehen muss, um eine runde Geschichte zu erzählen. Zumindest in diesem Fall gehe ich mit den getroffenen Entscheidungen mit - ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten.
Moment mal, das kennt man doch?
Philippa Boyens, Drehbuchautorin von “Der Herr der Ringe”, war bei diesem Projekt als Produzentin involviert, zusammen mit vielen weiteren Instanzen, die schon Erfahrung mit den Vorreiter-Projekten hatten. Das hat man auch gemerkt, meist im positiven Sinne. Vom Drehbuch bis hin zu den Soundeffekten werden Kenner der Peter Jackson-Filme merken: Hey, das kenne ich doch! Immer mal wieder durfte man nostalgisch werden mit kleinen Throwbacks.
Teilweise gab es vielleicht auch ein paar zu viele Lines, die einen an die ikonischen Filme von PJ erinnert haben - dann doch gerne etwas neues, eigenes ausprobieren. Genauer hinhören darfst Du übrigens auch bei den Stimmen der beiden Orks etwas später im Film, denn die werden gesprochen von Billy Boyd (Pippin) und Dominic Monaghan (Merry), zwei unserer Lieblingshobbits!
Tolkien x Anime: Ein Erfolg?
Eine sehr schöne Einleitung bietet mal wieder die Einführung der Karte von Mittelerde, die auch Anime-fremde Zuschauer erstmal recht sanft mitnimmt in die neue Welt. Vor allem die realistischen Hintergründe machen es leicht, wieder einzutauchen in das Mittelerde, das wir schon aus Neuseeland kennen. Denn die Kulisse wurde komplett aus den Filmen von Peter Jackson übernommen und nun in eine buchstäblich malerische Landschaft verwandelt. Das heißt, dass Du Edoras, die Goldene Halle Meduseld, Helm’s Klamm, und viele andere Orte im Laufe des Films nochmal neu entdecken wirst.
Das Charakterdesign verdient noch zusätzliches Lob, denn es fügt sich wunderschön in die Umgebung und die Kultur von Rohan ein. Und auch das deutsche Voice Acting hat mich wirklich positiv überrascht. Zwar hätten ein paar mehr Takes hier und da in den Kampf-Sequenzen sicher gut getan, aber im Vergleich zu den meisten deutschen Anime-Synchros unserer Zeit bin ich begeistert.
Anime ist eigentlich sowieso gerade im Popkultur-Trend - aber dafür ist das Thema “Die Schlacht der Rohirrim” schon reichlich nischig. Hier geht es nicht um Frodo, Gandalf, den Einen Ring und die Elben - sozusagen die Aushängeschilder des Franchises - sondern eben um eine Geschichtsstunde zu Rohan. Was ich persönlich allerdings viel einfallsreicher finde, als wie Disney in die Remake-Schublade zu greifen und einfach einen Herr der Ringe-Anime oder etwas dergleichen zu machen. Dieser Film wird nicht die breite Masse interessieren, aber er wird sicherlich einige neue Fans anziehen, die sich für Anime begeistern!
Fazit
Schon beim Lesen von “Der Herr der Ringe” und genauso bei den Filmen war es für mich extrem faszinierend, wie viel Tiefe Tolkien seiner fiktiven Welt durch die reiche Geschichte gegeben hat, die sich zeitlich bereits vor der vordergründigen Handlung abgespielt hat. “Der Herr der Ringe” spielt immerhin im Dritten Zeitalter von Mittelerde und dementsprechend trifft der Zuschauer oder Leser in Mittelerde immer wieder auf alte Überlieferungen und Lieder, verlassene Festungen und Namen von alten Helden. Eben auf Festungen wie die Hornburg, Namen wie Helm Hammerhand und Erzählungen von den vergangenen Schlachten der Rohirrim. Das macht neugierig, und gerade Fans der Pferdeherren können jetzt endlich mehr über ihre Geschichte erfahren!
Wer also schon in “Die Zwei Türme” und “Die Rückkehr des Königs” viel Interesse am Volk von Rohan hatte, der sollte auch der Verfilmung über ihre Vergangenheit unbedingt eine Chance geben - selbst wenn man nicht unbedingt der große Anime-Fanatiker ist.
Die Chance, durch Bücher wie das “Silmarillion” oder durch neue Verfilmungen mehr Lore zu erkunden und neue Charaktere lieben zu lernen, ist in jedem Fall wunderbar. “Die Schlacht der Rohirrim” ist wieder so eine Chance.
Und wenn Du Animes von Studio Ghibli oder darüber hinaus sowieso schon feierst und Herr der Ringe bisher noch nicht so dein Ding war - vielleicht wird es das ja jetzt! Manchmal ist es halt das richtige Medium zum richtigen Zeitpunkt, das den Unterschied macht.
Vor allen Dingen ist “Die Schlacht der Rohirrim” mal wieder wirklich frischer Wind im Franchise von Herr der Ringe, macht Spaß beim Zuschauen und ist mit viel Herz und Know-How bei der Sache, und deshalb eine ganz klare Empfehlung von meiner Seite!