More Singles Than Ever: How Bands Stay Relevant in the Digital Age

Immer mehr Single-Auskopplungen: Wie Bands im digitalen Zeitalter relevant bleiben

Warum Bands immer mehr Single-Auskopplungen veröffentlichen und was das mit Spotify, den sozialen Medien und dem Konsumverhalten von Fans zu tun hat, ergründen wir hier.

Bild: Behnam Norouzi, Victrola Record Players [Unsplash]

Schon wieder eine Single-Auskopplung. Da kam in den letzten Jahren öfter mal der Gedanke auf: “Bald kenne ich das komplette Album schon, bevor es überhaupt raus ist.”

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich einiges getan, wenn es um das Veröffentlichen von Musik geht. Wo früher noch bis zu drei Single-Auskopplungen pro Album der Standard waren und ein neuer Longplayer ein absolutes Highlight dargestellt hat, wird heutzutage teilweise schon gefühlt das halbe Album vorab in einzelnen Songs veröffentlicht.

Beispiele: Die letzte Platte von Bring Me The Horizon. POST HUMAN: NeX GEn erschien am 24. Mai 2024. Vorab wurden ganze sechs Tracks des Albums als Singles veröffentlicht, und zwar von 2021 (“DiE4u”) bis 2024 (“Kool-Aid”).

Und damit sind sie nicht allein: Architects haben ebenfalls sechs Songs von ihrem brandneuen Album The Sky, The Earth & All Between vorab ausgekoppelt, von 2023 bis 2025 - damit also genau die Hälfte der zwölf Tracks auf dem Album.

Deshalb widmen wir uns hier der Frage, wodurch der Single-Hype entstanden ist und ob das klassische Album überhaupt noch relevant ist.

Playlist statt Vinyl: Jetzt wird gestreamt

Dass sich durch Streaming-Anbieter wie Spotify der Musikmarkt stark verändert hat, ist klar. Das schwedische Unternehmen wurde 2006 gegründet und hat seither nicht nur das Konsumverhalten von Fans, sondern auch den Album-Zyklus von Künstlern stark beeinflusst. Heutzutage wachsen Kinder und Jugendliche bereits mit Playlisten auf, anstatt mit Plattenspielern oder CDs. Und genau das ist einer der Knackpunkte. 

Früher haben Labels den Fokus auf das Album als Gesamtwerk gelegt. Es wurden Single-Auskopplungen veröffentlicht, um Promo zu machen und die Songs ins Radio zu bringen, aber letztendlich ging es darum, das Album zu einem möglichst hohen Preis möglichst oft zu verkaufen.

Bei Spotify hingegen liegt der Fokus nicht auf Alben oder den dahinterstehenden Künstlern, sondern auf einzelnen Songs. Für die von Spotify generierten Playlisten kann ein Künstler pro Veröffentlichung nur einen einzelnen Song einreichen - auch, wenn es sich bei der Veröffentlichung um ein Album mit deutlich mehr Tracks handelt. Der Hörer der Playlist bekommt einen Mix aus Songs verschiedener Interpreten - das Album wird dabei nicht in den Vordergrund gestellt.

Content muss her: Musik-Releases im digitalen Zeitalter

Heute ist Streaming längst gleichbedeutend mit Musikhören - nur noch echte Sammler und Musikliebhaber kaufen sich physische Tonträger. Künstler müssen sich folglich auf andere Einnahmequellen konzentrieren. Platten werden nur für den engsten Kreis der Fans weiterhin hergestellt und verkauft.

Dazu äußerte sich schon 2010 der Sänger Barry Donegan von der Band Look What I Did in seinem Blog:

„Ich glaube, dass Alben lediglich als Compilations eines bestimmten Zeitraums der Bandgeschichte betrachtet werden sollten, die Platten-Sammlern zum Kauf angeboten werden. Anstatt zu versuchen, mittels Online-Inhalten Alben zu verkaufen, sollten sich Bands meiner Meinung nach als ständige Content-Anbieter begreifen, und ihren Output in gewissen Abständen auf physischen Tonträgern herausbringen. Dies als Dienst an diejenigen Fans, die gerne Platten, Kassetten, CDs oder andere haptische Gegenstände besitzen. Lasst uns den Tatsachen ins Auge sehen – diese Formate sprechen Sammler an, aber nicht mehr den durchschnittlichen Konsumenten.“

Fans sind außerdem regelmäßigen Content aus den sozialen Medien und von Spotify gewohnt. Trends und Hypes kommen und gehen schnell: Wer in der Masse nicht untergehen will, der muss ständig präsent sein. Das wissen sowohl Künstler als auch Labels. Robbie Snow von Hollywood Records hat die neuen Marketingstrategien in einem Beitrag von Rolling Stone erklärt:

„Früher war es so, dass die Künstler sich zwischen den einzelnen Alben rar machten, von der Bildfläche verschwanden, um dann mit großem Tamtam zurückzukommen. Heutzutage versuchen wir hingegen, die Künstlerkarriere im Fluss zu halten, sodass Künstler so gut wie gar nicht mehr von der Bildfläche verschwinden. Fans wollen eine konstante Bindung zu ihren Lieblingsmusikern.“

Das Album sei allerdings nicht direkt irrelevant geworden. Es wird sogar von Managerin Cora Rodrigues (iMusician) empfohlen, das Konzept beizubehalten:

„Man sollte die Mächtigkeit der klassischen Album-Strategie nicht unterschätzen. Sie hat jahrzehntelang funktioniert und tut es noch heute – aus gutem Grund. Indem du über ein paar Monate hinweg schrittweise mehrere Singles veröffentlichst, weckst du nicht nur Erwartungen, du baust ein Momentum auf und steigerst bei den Fans die Spannung bis zum Veröffentlichungstag des Albums.“

Immer im Trend: Die Vorteile von regelmäßigen Single-Auskopplungen

Logisch, dass durch digitale Uploads enorm viel Zeit und Kosten gespart werden können. Vor allem Newcomern bringen deshalb meist erstmal eine Reihe Singles oder ein bis zwei EPs raus, bevor es an ein Debütalbum geht. Mit jeder Single-Veröffentlichung kann auch ein Song für Playlisten eingereicht werden, und über Playlisten lässt sich eine Fanbase aufbauen. Natürlich ist die Konkurrenz auf Spotify und Co. riesig - aber riesig ist auch die potentielle Reichweite über die Plattformen. Singles bieten für aufstrebende Musiker auch den Vorteil, einfach zu experimentieren. Was kommt gut an, was nicht? Und letztendlich gilt für neue und weltberühmte Bands das gleiche: Wer häufiger veröffentlicht, der bleibt immer im Gespräch und geht im unendlichen Angebot von Musik nicht so leicht unter.

Viele Künstler wissen um das Potential von Social Media. Bands wie Slipknot und Sleep Token zeigen immer wieder, wie interaktive Teaser und Rätsel die Fans animieren. Durch mysteriöse Webseiten und Teaser-Videos werden Diskussionen ins Leben gerufen. Sleep Token haben sogar Notenblätter auf separaten Accounts veröffentlicht, die jetzt von Fans selbst auf ihren Instrumenten interpretiert werden können. Der Hype um ein kommendes Album wird so natürlich aufrechterhalten und bietet den Fans gleichzeitig eine tolle Möglichkeit, selbst an der Reise teilzuhaben. Kreativität ist also weiterhin der Schlüssel!

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Quantität über Qualität?

Chris Motionless von Motionless In White ist allerdings nicht einverstanden damit, die Quantität von Veröffentlichungen über ihre Qualität zu stellen. Wenn Bands ständig in kurzen Abständen neue Musik veröffentlichen, um Content-Nachschub zu liefern, kommen die Qualität und der kreative Schaffensprozess nunmal schnell zu kurz. Deswegen wollen sich Motionless in White laut einem Interview mit Rock Sound nun bewusst mehr Zeit für ihre neue Musik nehmen. Hier ist seine Meinung zu dem Thema:

„Ich habe das Gefühl, dass es aufgrund der Aufmerksamkeitsspanne und der Übersättigung mit Inhalten und Musik, Fans gibt, die sich von Bands abwenden, wenn man das Bedürfnis nach neuem Material nicht befriedigt. Dadurch sind Bands irgendwie gezwungen, in Eile etwas herauszubringen.

Aber mir ist aufgefallen, dass viele der Bands, die einen gewissen Status erreicht haben, sich davon nicht beirren lassen. Und das Ergebnis ist, dass die Alben besser sind, weil sie sich die Zeit dafür genommen haben. Die Frage ist: Was wollt ihr? Wollt ihr etwas, das nur halb so gut ist, wie es hätte sein können, oder wollt ihr die volle Verwirklichung dessen, was die Band in drei oder vier Jahren mit dem Album erreichen könnte?“.

Hier geht’s zum kompletten Interview:


Also zusammengefasst:

Single-Auskopplungen helfen allen Künstlern da draußen, in der digitalen Musikwelt relevant zu bleiben. Auch Musik muss mit der Zeit gehen: Die Konsumgewohnheiten von Fans haben sich verändert und Musiker sowie Labels müssen ihre Release-Strategien anpassen. Das heißt aber nicht, dass alle sich jetzt nur noch Content aus den Fingern saugen - Qualität und Kreativität werden weiterhin durchgesetzt und Alben dürfen dafür auch gerne mal etwas länger brauchen.